Blog „Lewandolski“

„Lewandolski“ – unser Blog beim „Berliner Fenster“ in der Berliner U-Bahn für die Zeit der EM2012 ist vorbei. Hier könnt ihr alle Einträge nachlesen:

08.06. Vor 4 Jahren haben Polen und die Ukraine erfahren, dass sie die Gastgeber der UEFA EURO 2012 sein müssen. Seitdem hat sich viel verändert. In der Ukraine sowieso und  Polen erst recht. 4 Autobahnen, 44 Bahnhöfe, 444 Kirchen und nicht zuletzt 4 Stadien wurden in Polen neu gebaut, um die Gäste und Fußballfans aus ganz Europa begrüßen zu können. Tickets gibt es nicht mehr dafür Fanmeilen für 44 Millionen, auf den Strassen, in Kneipen, Kirchen und Kindergärten. Auch im Club der Polnischen Versager.

09.06. Ein Unentschieden macht niemanden glücklich, nicht die Millionen in den polnischen Fanmeilen und auch nicht die Gäste im überfüllten Club der Polnischen Versager. Kein glanzvolles Spiel für die Polen, ein glückliches für die Griechen. Eine rote Karte, die keine war, und ein gehaltener Elfer kochten die Stimmung hoch. Ein Krimi im Eröffnungsspiel verspricht spannende Meisterschaft. Der nächste Gegner der Polen heißt Russland, bis dahin halten sie die Daumen für die Deutschen gegen Portugal.

10.06. Auf die Frage „Welcher Mannschaft außer der eigenen werden Sie die Daumen drücken?“ antworteten über 80% der Polen einer repräsentativen Umfrage zufolge ganz klar: Deutschland! Nicht nur weil Podolski und Klose die Verbindung schaffen. Auch ein erster, deutsch-polnischer Fußballer spielt jetzt für die Polen: Sebastian Boenisch. Die polnische Comunity im Club der Polnischen Versager fieberte mit den deutschen Fans. Vor dem Anpfiff wurde dort sogar die deutsche Hymne auf Polnisch gesungen.

11.06. Italien und Spanien sind die zwei bestaussehenden Mannschaften der EM. Das behaupten seit Jahren die polnischen Frauen. Wenn die Spanier und die Italiener spielen, treffen sich die Polinnen und feuern gemeinsam die Spieler auf ihre Art und Weise an: mit Proseccoglas in der Hand werden Waden, Oberschenkel, Popos, Gesichter und Frisuren verglichen. Kein Wunder also, dass nach einem Foulspiel dem Leidenden nicht nur der Arzt, sondern auch gleich zwei Visagisten auf dem Rasen zur Seite stehen.

12.06. Während das zweite Gastgeberland Ukraine ihr erstes Spiel absolvierte, bereitet sich Polen auf die nächste Prüfung vor. Diesmal ist es Russland. Die polnisch-russischen Begegnungen waren noch nie Freundschaftsspiele. Die Abneigung auf dem Rasen ist mit der deutsch-holländischen Liebe vergleichbar. Die polnische Boulevard-Presse spricht bereits von einem polnisch-russischen Krieg. Wir empfehlen allen Beteiligten „Krieg und Frieden“ von Tolstoi oder „Schneeweiss und Russenrot“ von Maslowska.

13.06. Weil viele Freizeitfußballfans schon vor dem Spiel das Ergebnis wissen wollen, greift man oft und gerne auch auf tierische Hellseher zurück. In Polen sind es in diesem Jahr die eifrige Elefantenkuh „Citta“, die lahme Milchkuh „Iwona“ und eine namenlose Giraffe. Die letzte im Bunde ist die etwas langsame Schildkröte „Jani“. Doch egal wer oder was, es hat noch nie das richtige Ergebnis getippt. Die Nerven in den polnischen Wettbüros liegen blank. Der Krake „Paul“ war und bleibt eben der beste.

14.06. Die Ausschreitungen der radikalen Pseudofans in Polen werden ein internationales Nachspiel haben. Die Vereinten Nationen beschlossen in einer schnell einberufenen Sitzung, bei erneuten Unruhen Blauhelmsoldaten nach Polen zu schicken. In der nächsten Woche wird auch der Bundestag entscheiden, ob sich die Bundeswehr an der Friedensaktion „PeaceBall“ beteiligen soll. Das harte Durchgreifen der UNO hat erste Wirkung gezeigt. Alle Krawallmacher haben sich der polnischen Polizei freiwillig gestellt.

15.06. Die sog. „Priester-Affäre“ in Polen weitet sich aus. Nachdem rausgekommen ist, dass polnische Priester für einen Sieg der polnischen Mannschaft gebetet haben,  empörten sich die Fans der anderen Mannschaften über den unlauteren Wettbewerb und eventuelle Vorteilsname. Die portugiesischen Anhänger überlegen sogar eine Schadensersatzklage vor dem jüngsten Gericht einzureichen. Die Reaktion des Vatikan war schnell und direkt: Keine Gebete mehr nur für eine Mannschaft, alle Katholiken sind gleich.

16.06. Das Spiel Ukraine gegen Frankreich fiel fast ins Wasser. Die Unwetterfront verschiebt sich Richtung Berlin. Doch keine Sorge! Für Samstagabend bestellten Adam Gusowski und Piotr Mordel vom CPV russische Düsenflugzeuge gegen die Regenwolken. Die beiden präsentieren dann auf der Bühne am Postbahnhof in voller Sonne im „11Freunde EM-Quartier“ vor dem für Polen entscheidenden Spiel gegen Tschechen die Satire zum Thema: „Es gibt auch andere Sportarten, in denen die Polen erfolgreich sein können!“

17.06. Die polnische Mannschaft erwies sich als guter Gastgeber und verabschiedete sich uneigennützig aus dem Turnier. Auch deswegen haben die Rating-Agenturen Moody’s und Fitch den europäischen Fußball heraufgestuft. Zur Begründung erklärten sie, dass der europäische Fußball sich während der EM von seiner besten Seite zeige. Es betreffe vor allem die Gruppen A und B die nun AAA und AAB  heißen werden. USA und China haben bereits reagiert und erstes Interesse am europäischen Fußball gezeigt.

18.06. Die UEFA ist mit der Leistung der Schiedsrichter bei der EM in Polen und der Ukraine zu 97% zufrieden. Das ist zwar sehr gut doch der UEFA natürlich zu wenig. Deswegen entschied sich nun der europäische Fußballverband auch Auswechsel-Schiedsrichter einzuführen. Die neue Regelung sieht vor, einen Schiedsrichter noch während des Spiels austauschen zu können, wenn sich darauf die Trainer beider Mannschaften einigen. Die Schiedsrichter-Gewerkschaft „SchiGe“ kritisierte die Pläne als unmenschlich.

19.06. Mittwoch ist der erste freie Tag der EM. Für die Polen auch der erste Tag seit fast zwei Wochen, um sich dem Alltag zuzuwenden, Arbeit, Schule, Einkäufe, Rechnungen. Da das Schröder’sche Prinzip “Brot und Spiele“ auch unter Ministerpräsident Tusk funktioniert und die Medien nur über Fussball berichteten, erfahren die Polen erst heute etwas über die Wahlen in Griechenland, die Sozialisten in Frankreich, die Krise in Spanien und Rentenferorm im eigenen Land.

20.06 Das größte Elefantenhaus Europas steht in Posen. Doch auch dort will man den dickhäutigen Vorsitzenden des polnischen Fußballverbandes Lato nicht haben. Korruption, Inkompetenz und  Filz, der selbst Josef Beuys ins Staunen bringen könnte, werden ihm vorgeworfen. Doch Kritik kennt Lato nicht. In einem TV-Interview machte er für das vorzeitige Aus allein die polnische Mannschaft verantwortlich: die Spieler hätten die beste Vorbereitung aller Zeiten. „Das Volk war schuld“ ist des Diktatoren Trug.

21.06. 40 Tausend irische Fans haben Polen während der EM besucht. Die „Greens“ tranken viel und sangen unermüdlich tage- und nächtelang. Zu ihren Liedern gehörte auch die polnische Fußball-Hymne, auf Polnisch mit irischem Akzent. So haben die Iren die Herzen der Polen erobert. Nun wollen sich polnische und irische Fans bei einem Freundschaftsspiel beider Länder noch Mal treffen. Entsprechende Initiative auf FB  bekam binnen nur weniger Stunden fast 10 Tausend Klicks.  Fußball verbindet eben.

22.06. Robert Lewandowski kann zwar für Polen bei EURO 2012 nichts mehr tun, dafür aber sein Trikot. Seit zwei Wochen wird nämlich das T-Shirt der Nationalmannschaft mit der Aufschrift Lewandowski und der Nummer 9 im polnischen Fernsehen versteigert. Inzwischen hat es die magische Marke 100 000 Euro erreicht. Erwartet wird aber das Vielfache. Denn seitdem das Gerücht kursiert, das T-Shirt sei getragen und nicht gewaschen, explodiert die Zahl der Angebote. Der Erlös kommt bedürftigen Kindern zugute.

23.06. „Es geht auch unten ohne“ sagten sich die weiblichen Fußballfans in Polen. Da man bei der EM fast nur glatt rasierte Beine der Fußballelite sieht, und haarlose Männerbeine im Scheinwerferlicht der Stadien so ästhetisch glänzen, zwingen die Polinnen ihre Männer zur Beinrasur. Inzwischen kommt es in Polen zu ersten Engpässen beim Rasierschaum und den Rasierern. Wegen der starken Nachfrage eröffneten nun auch die ersten Enthaarungsstudios für Männer, die mit Fußballerbeinen um die Kunden werben.

24.06 Nach dem Viertelfinale wurde die Zahl der EM-Teilnehmer zwar deutlich kleiner doch die Begeisterung für das Turnier in Polen und der Ukraine ist ununterbrochen stark. Freundliche und friedliche Stimmung in großen wie kleinen Städten und auf dem Lande bestimmt das Leben in beiden Ländern. Das trägt die ersten Früchte, denn auf der Welle der Begeisterung werden die Polen die Handball-EM 2016 und Polo-WM 2018 organisieren. Hoffentlich dann auch mit etwas mehr Erfolg der polnischen Mannschaften.

25.06. Der frühere Präsident Polens und Friedensnobelpreisträger Schwedens Lech Walesa weiß bereits jetzt schon, wer das Finale der EM am Sonntag gewinnen wird: Deutschland. Auch noch im Rentenalter kommentiert Lech Walesa gern das politische und gesellschaftliche Leben in Polen. Um die noch aktiven polnischen Politiker ist es während der EM dagegen ungewöhnlich still geworden. Das ist auch besser so. In einer Umfrage kreuzten 99% der befragten Polen an, dass sie ihre Politiker nicht vermissen.

26.06. Was kostet die Welt? Schwer zu sagen, aber was der Sieg bei der UEFA EURO 2012 in Polen und der Ukraine kostet, ist schon leichter zu beziffern. Die UEFA zahlt für einen Sieg eine 1,0 Mio. Euro. Für das Erreichen des Viertelfinales zahlt der europäische Fußballverband 2,0 Mio. und des Halbfinales 3,0 Mio. Der Sieger des Turniers bekommt 7,5 Mio., der Zweite 4,5 Mio. Euro. Doch arm wird die UEFA dadurch keinesfalls. An der EM 2012 in Polen und der Ukraine verdient sie über 1,5 Milliarden Euro.

27.06. Die deutsche Mannschaft  brachte nach Polen insgesamt 50 Tonnen Gepäck. Das klingt nicht nur viel, es ist viel. Inzwischen landeten davon 2,5 Tonnen schmutzige Wäsche der Spieler und Betreuer in einer Danziger Wäscherei. Nun rätselt ganz Polen über die Zahl. Zwar wissen alle, was die deutsche Ordnung ist, aber 2,5 Tonnen in 25 Tagen erscheint nicht nur viel, es ist viel. Böse Zungen behaupten, die Deutschen hätten ihre Schmutzwäsche von Zuhause mitgebracht, um sie in Polen zu waschen.

28.06. Schock für die polnische Kirche. Die Zahlen der aktiven Mitglieder sind in der letzten Zeit um satte 40 % zurückgegangen. Schuld an der Misere soll angeblich der Fußball sein, der die Religion ersetzen würde. Die Stadien sollen die neuen Kirchen, die Schiedsrichter die neuen Priester und die Spieler die neuen Heiligen sein. So ist es nur konsequent, dass die polnische katholische Kirche nun erwägt, die Sonntagsmessen in die Sportarenen zu verlegen, und zwar nicht nur an spielfreien Sonntagen.

29.06. Nach dem Sieg gegen die deutsche Mannschaft und der Party danach pilgerten die Italiener am frühen Morgen in den polnischen Wallfahrtsort Lagniewnik. Die 11 km Strecke machten sie zu Fuß, um so dem Gott für ihren Erfolg zu danken. Der tief religiöse Trainer Cesare Prandelli macht es oft so. Nun überlegen die Spanier ebenfalls eine Pilgerfahrt zu unternehmen, allerdings vorsorglich noch vor dem Finale. Im Gespräch ist ein 1121 km Lauf in die heilige Stadt Tschenstochau. Ob es wirklich hilft?

30.06. Zwei Wettbewerbe in Polen haben vor dem offiziellen Finale ein gutes Ende gefunden. Der erste Wettbewerb für die attraktivste Mannschaft haben punktgleich Spanien und Italien gewonnen. Das Ergebnis der zweiten Umfrage war viel klarer. Im Wettbewerb um die sympathischsten Fans gewannen, Ironie des Schicksals, die Hässlichsten, die Irren. Sie wurden als „Best Fans“ auch von der UEFA ausgezeichnet. Nicht nur auf die Irren freuen wir uns beim Finale der EM 2012 im Club der Polnischen Versager.

01.07. So das war´s mit EM 2012! Der sportliche Sieger des Turniers steht fest. Doch die eigentlichen Gewinner sind die Menschen in den Gastgeberländern, in Polen und der Ukraine. Mit ihrer Gastfreundlichkeit, Offenheit und Lebensfreude haben sie ihre Gäste und alle europäischen Fußballfans begeistert. Die westlichen A2-Stadien-Kritiker sind still geworden, BBC muss für ihre Hetzkampagne eine Strafe zahlen. Nur wer bis jetzt glaubte, dass in Polen und der Ukraine Eisbären freilaufen, wurde enttäuscht.